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Neurophysiologie

Die Forschungsabteilung für klinische und experimentelle Neurophysiologie untersucht neurobiologische Vorgänge im Kontext mentaler Prozesse und Sozialverhalten, mit Hilfe von neurophysiologischen Verfahren wie der Messung von Hirnströmen durch oberflächliche Elektroden, auch Elektroenzephalografie (kurz EEG) genannt.

Das EEG ist eine nicht-invasive, zeitlich hochauflösende Methode um Gehirnaktivität zu messen und wird routinemäßig in der Neurologie eingesetzt, um krankhafte Veränderungen des Gehirns und epileptische Veranlagungen festzustellen. Im Gegensatz zu den Untersuchungsmethoden der Neurologie, gibt es in der Psychiatrie keine routinemäßig anwendbaren, bildgebenden Methoden in der Diagnostik. Außerdem sind keine eindeutigen, strukturellen Anomalien im Gehirn von Patienten mit psychiatrischen Störungen bekannt. Eine funktionelle Veränderung, also abweichende Aktivität des Gehirns, bei gleicher Struktur, gilt aber als wahrscheinlich.

Die Analyse eines EEGs lässt Rückschlüsse auf verschiedene Eigenschaften der Hirnaktivität, wie z.B. Wachheit zu, wobei derzeit unklar ist, ob dies auch rein gedankliche Vorgänge einschließt. Darin besteht der primäre Gegenstand unserer derzeitigen Forschung. Unser erklärtes Ziel ist es, zu untersuchen, ob Hinweise auf spezifische Muster in den Hirnströmen bei kognitiv herausfordernden Aufgaben, dem Erleben emotional aufregender Situationen oder ggf. sogar die bewusste Steuerung der Ströme durch Meditation existieren.

Weitergehend stellt sich die Frage, ob bestimmte Hirnregionen durch die verschiedenen mentalen Prozesse aktiviert werden und ob eine gezielte Kommunikation zwischen den Hirnregionen stattfindet (Konnektivität). Ergänzt wird die EEG-Untersuchung oftmals durch Messungen der Aktivität des autonomen Nervensystems (ANS), indem die Herzratenvariabilität ermittelt wird, da auch Stress und Anspannung einen großen Einfluss auf mentale Prozesse haben können.

Neben diesen Untersuchungen, die sich auf die Analyse der vorkommenden Frequenzbänder in der EEG-Ableitung beziehen, werden in der Arbeitsgruppe Studien zu akustischen und visuellen Ereigniskorrelierten Potentialen (EKP) durchgeführt. EKPs zeigen Veränderung der Hinströme als Reaktion auf einen Reiz (z.B. ein Geräusch). So lässt die Untersuchung der EKP (P300) als Reaktion auf einen selten vorkommenden Reiz (hoher Ton) in mitten der Wahrnehmung von häufig präsentierten Reizen (tiefer Ton) im Rahmen des sog. Oddball Paradigmas, Rückschlüsse auf die Aufmerksamkeit und Kognition des Probanden zu. Ein weiteres von Prof. Juckel etabliertes Paradigma, das vielfach angewendet wird, ist die Messung der Lautstärkeabhängigkeit akustisch evozierter Potentiale (Loudness dependency of auditory evoked potentials; kurz LDAEP). Hierbei wird untersucht, wie stark die Reaktion des Gehirns auf unterschiedlich laute Töne ausfällt.

Bisherige Studien zeigen Auffälligkeiten der LDAEP bei Patienten mit psychiatrischen Störung und einen Zusammenhang von LDAEP mit dem Ansprechen auf sogenannte Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (kurz SSRI; Antidepressiva). Hier sind weitergehende Untersuchungen wichtig, um eine Relevanz für die zukünftige klinische Praxis zu prüfen. Generell ist es ein übergeordnetes Ziel der neurophysiologischen Forschung, Biomarker zu finden, die Hinweise auf das Vorkommen psychiatrischer Störungen und Therapiefortschritte liefern.

Die Labore der Forschungsabteilung sind neben den hochmodernen EEG-Systemen der Firmen Brain Products (32-Kanal BrainAmp EEG System und 64-Kanal actiCHamp Plus EEG System) und Compumedics (64-Kanal Neuvo) mit einem Eye-tracking System (EyeLink 1000 Plus von SR Research) ausgestattet. Ein weiteres, bildgebendes Verfahren ist die funktionelle Nahinfrarotspektroskopie (fNIRS), bei der die kortikale Hirnaktivität über Änderungen des Sauerstoffgehaltes im Blut durch Spektroskopie gemessen wird.

Weitere eingesetzte Methoden sind die Hirnstimulation mit transkranieller Magnetstimulation (TMS) und transkranieller Gleichstromstimulation (tDCS), mit dessen Hilfe sich das Gehirn in seiner Aktivität manipulieren lässt. Diese Methoden finden Anwendung in der Behandlung von psychischen Störungen (z.B. Verbesserung von depressiven Symptomen), aber auch in der Forschung, um etwa zu untersuchen, welchen Einfluss die Aktivität bestimmter Hirnregionen auf Verhalten haben könnte.

In aktuellen Studien der Forschungsabteilung werden die Vorgänge im Gehirn mit Psychopathologie, Verhalten und mentalen Prozessen in Verbindung gebracht, um  Zusammenhänge aufzuklären und mögliche Diagnostik-und Therapieoptionen zu entwickeln. Dabei setzen wir neurophysiologische Verfahren wie EEG, fNIRS, Eye-Tracking und transkranielle Stimulationsmethoden ein.